Universität und Leben

Sonntag, 2. Februar 2014

Der erste Mensch oder Die Hausaufgabe

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Der erste Mensch
von Albert Camus

Einige Gedanken dazu
Welche Erwartungen hätte der Titel dieses Buches geweckt, wäre es mir verborgen geblieben, dass die Hauptfigur in diesem Werk eine gewollt autobiographische Ähnlichkeit zum Autor aufweist?
Welche Verknüpfungen zu den zeitlich vorangestellten Büchern hätte ich gesehen?

Der Versuch einer Annäherung im fast Unbefangenen

Sicher wäre gewesen:
Camus' erster Mensch ist weder der christlich tradierte Adam noch der erste Homo Sapiens. Die Aufdeckung und Benennung des Absurden, Camus' eingehende Beschäftigung mit dem Sinn von Menschsein angesichts von allumfassendem, scheinbarem und tatsächlichem Un-Sinn, verweist auf einen Bezugsrahmen, der über die kanonischen Möglichkeiten der Kreationisten und jenen der Evolutionsbiologen hinausgeht. Die Destillation des Absurden aus der denkenden Beobachtung und Untersuchung, aus der Hinzuziehung philosphischer Modelle und ihrer Synthese, bietet nur wenig Raum für Spekulationen bezüglich des Titels, wenn man davon ausgeht, das Camus sich kohärent im eigenen Werk verhält. Einen „unschuldigen“, „unbefangenen“, „freien“ ersten Menschen zu erschaffen, wäre keine nachhaltige Konzeption für ein Buch nach dem „Mythos des Sisyphos“ und nach „Der Fremde“ gewesen. Die Welt ist kaputt. Und das schon immer.
„Der erste Mensch“ als Zukunftsfigur Camus' wäre jedoch denkbar gewesen – der erste, post-absurde Mensch, der mit dem Wissen um die Entzweiung seines Wesens dessen Einheitlichkeit anstrebt. Ein Prototyp in der Überwindung des Absurden. Eine philosphisch – literarische Anleitung für den praktischen Umgang mit dem Absurden in der Gegenwart. Camus schreibt in „Der Mythos des Sisyphos“, das Absurde stürbe nur, wenn man sich von ihm abwende.

„Der erste Mensch“ jemand, der genau dies tut.
Der sich im Wissen um die Bedingtheiten seiner Existenz befindet.
Und sich visionär gegen das Absurde wendet.

Ist es vielleicht nicht sogar ein wenig so?

Der Blick in das Buch „Der erste Mensch“ zeigt zunächst aber einen Suchenden.
Ein junger Mann, der aus der sich ihm als absurd und wie nicht zu ihm gehörenden Situation in das Stadium des Berührtwerdens katapultiert wird. Der in Vertrautheit mit sich selbst zu sein scheint, in seinem Leben angekommen und sich darin zuhause wähnt, ent-täuscht diesen Zustand am Grab seines unbekannten Vaters.
Das Zurückdenken in Kindertage enthüllt eine geschichts- und wortlose Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft seiner Familienangehörigen auf der „namenlosen Insel“ Algerien, ein zu erwartendes, zu ertragendes Schicksal und erhält plötzlich mit Hilfe der Vaterersatzfigur des Lehrers die Möglichkeit einer benennbaren und lebenswerten Zukunft.
Er wird, er darf der „erste Mensch“ in seiner Familie sein.
Das, was aufgrund von Unkenntnis und ererbter Armut, von Umständen und Unbill seinem Vater und seiner Mutter verwehrt wurde, wird ihm geschenkt: das er-fass- und be-greif- und be – nennbare Leben.
Seine Neigung zu Büchern und Bildung als Rettungsring vor dem gesichtslosen seelischen Tod, der ungezählte Menschen in der Vergangenheit ereilte, der sogar seinen Vater zu einem ihm Unbekannten werden ließ. Der stille Tod, der ihm zum desillusionierenden Zeichen und warnenden Menetekel wurde.

Mensch gleich Homo Valens, auf der Basis des Homo Sapiens ist dies Aufgabe und Geschenk zugleich.

Insofern birgt „Der erste Mensch“ eine unvollendete, retrospektive Zukunftsvision Albert Camus', deren Motiv der erste Mensch ist, der im Angesicht des Absurden, des Fremden, das zugleich ein Spiegel und warnendes Bild seiner selbst darstellt, nach dem Leben greift.

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